Warum es für die Sieger und Platzierten der internen SeMiGo-Auswärtsspiele nun mal einen etwas außergewöhnlichen Wein gibt
Ähnlich wie zu dem Honig seit 2019 gibt es auch zu dem Wein, den erstmals die Sieger und Platzierten unseres letzten internen Auswärtsspiels 2022 im Golfpark am Deister erhalten haben, eine kleine Geschichte. Bei der Siegerehrung in Bad Salzdetfurth 2023 werde ich sie aber nicht wiederholen, sondern hier ist sie zum Nachlesen.
Etwa Mitte der 80er Jahre bin ich auf einer Geographie-Exkursion in der DDR im Raum Halle-Leipzig gewesen, unter anderem im Braunkohlentagebau Geiseltal mit dem geradezu atemraubenden Dreck mehrerer Brikettfabriken. Neben der Brikettproduktion ermöglichte die Rohbraunkohle aus dem Geiseltal erst die industrielle Entwicklung im Raum Merseburg mit den Großbetrieben Leuna, Buna und Wintershall, in deren Kraftwerken sie zur Strom- und Prozesswärmegewinnung verbrannt wurde.
Drei Jahre nach der Wende ist nach 300 Jahren und fast 1,5 Mrd. Tonnen Rohbraunkohle der Tagebau stillgelegt und geflutet und das umliegende Gelände rekultiviert worden. Heute hat der Geiseltalsee seinen geplanten Pegelstand erreicht, ist damit der größte künstliche See Deutschlands und ein maritimes Erholungsgebiet mit Hafenanlagen für Sport- und Ausflugsboote.
So, und was hat das nun mit Wein zu tun? 2008 war ich erneut mit Geographen am Geiseltalsee. Damals war der vorgesehene Wasserstand noch nicht erreicht, und die etwa 450 Hektar große Abraumhalde am Nordufer glich am Hang zum See noch weitgehend einer Kraterlandschaft. Aber an einer Stelle gab es dort das weltweit einmalige Rekultivierungsprojekt eines Weinbergs mit zunächst einem Hektar Reben der Sorte Müller-Thurgau und bald darauf zwei weiteren Hektar mit auch Grau- und Weißburgunder, Kerner und Traminer. Und drum herum im weitläufig eingezäunten Hanggelände waren freilaufende und sich selbst versorgende Rinder als Landschaftspfleger unterwegs.
Die Familie Reifert, Winzer im nahegelegenen Freyberg, waren die Pioniere dieses von anderen zunächst belächelten oder für aussichtslos gehaltenen Projekts, denn anhand der außergewöhnlichen Lage und des Abraumbodens konnte man sich kaum vorstellen, dass dort einmal Wein angebaut werden könnte. Ab dem Jahr 2000 haben die Reiferts ihre Idee gegen viele Widerstände, mit eigens entwickelten Techniken und mit wissenschaftlicher Unterstützung umgesetzt. Nach Einblick in die Profilierungsstudie des Rekultivierers LMBV (Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungs-GmbH) hatten sie erkannt, dass dort eine ideale Weinlage entstehen würde, wenn der Südhang auf 30 % Neigung abgetragen würde. Der Nordhang mit Wald würde vor Kaltluft von dort schützen, und die Wasseroberfläche des entstehenden Geiseltalsees würde eine gute Voraussetzung für den Weinanbau liefern. Das Wasser reflektiert die Sonne, gibt an kalten Tagen die gespeicherte Wärme an den Hang ab und schützt im Winter vor starken Frösten.
Der Erfolg auf der Halde stellte sich tatsächlich ein. Schon der erste Jahrgang „Goldener Steiger“ war ausverkauft. Heute ist die Rebfläche mit weiteren Sorten auf 5,1 Hektar erweitert, und der Südhang, ständige Bodenverbesserungen und die Sonnenreflexion von der Seeoberfläche sorgen für eine unverwechselbare Qualität. Rotes Harzer Höhenvieh, eine der ursprünglichsten und heute gefährdeten Nutztierrassen, sorgen auf dem insgesamt 30 Hektar großen Gelände für eine ökologische Begrünungspflege, und eine Streuobstwiese mit alten Apfel-, Pflaumen- und Kirschsorten bildet einen ökologischen Ausgleich für die erweiterte Weinbaufläche. Am Hangweg oberhalb der Weinreben mit schönem Blick auf den See ist eine Straußwirtschaft der Reiferts ein beliebtes Ausflugsziel. Der Weg selbst ist inzwischen Teil des Jakobsweges, der von Polen über Görlitz nach Erfurt und weiter auf Wegen der Salzhändler des frühen Mittelalters zu dem fernen Ziel Santiago de Compostella im Norden Spaniens führt. Eine Pilgerklause nahebei ist eine Begegnungsstätte europäischer Kulturen.
Im Anschluss an eine weitere Geo-Exkursion im August 2022 bin ich wieder einmal zu dem Weinberg auf die Abraumhalde gewandert. Dabei ist mir dann der Gedanke gekommen, dass es für unsere erfolgreichsten Auswärts-SeMiGos ja nicht immer der gleiche Wein oder Honig sein muss. So gibt es nun eben mal diesen besonderen Wein verschiedener Sorten „Goldener Steiger“ vom Geiseltalsee im Weingebiet Saale-Unstrut, dem nördlichsten unserer 13 deutschen Weinanbaugebiete.
Gerhard Steinmann
Frühjahr 2023