Wie bei einigen Auswärtsspielen Anfang der 20er Jahre mit dem Berlin-Honig von der Zionskirche und und von Golfplätzen im Berliner Umland und zuletzt 2022 und im Frühjahr 2023 dem recht außergewöhnlichen Wein „Goldener Steiger“ vom Geiseltalsee gibt es 2024 mal Wein in Bocksbeuteln, also aus Franken. Und auch zu diesem Wein gibt es eine kleine Geschichte.
Vor einigen zehn Jahren – das Smartphone war noch nicht erfunden, und selbst das absurde Wort Handy harrte mangels entsprechender Mobiltelefone noch seiner Schöpfung – sind Steinmanns mal aus der Schweiz zu einigen Resturlaubstagen nach Deutschland zurückgekehrt. Als Standort dafür war uns von Urlaubs-Bekannten Sommerhausen empfohlen worden.
Sommerhausen?? Ganz einfach: Sommerhausen liegt gegenüber von Winterhausen. Das ist sehr logisch, denn die Sommerhäuser leben vor und oberhalb von sonnigen Südhängen, wo sie hervorragende Weine anbauen können. Die Winterhäuser dagegen siedeln vor den kälteren Nordhängen und sind mehr auf Ackerbau angewiesen. Dazwischen fließt der Main. Wer auf der Landkarte südlich von Würzburg sucht, wird schnell fündig.
Die Schweiz war schon damals teuer, und für drei Tage Sommerhausen reichte das Geld nicht mehr. Also bin ich am nächsten Morgen zu der (einzigen) Bank im Ort gegangen, um Nachschub zu besorgen. Das war damals, wenn man keine Reiseschecks hatte, nur recht umständlich per Telefongesprächen von Bank zu Bank möglich. In der kleinen Zweigstelle war ich der einzige Kunde – und wohl sowieso gab’s dort nicht viel zu tun. Zwei Damen saßen hinter der sichernden Glaswand. Die eine an der Kasse las gerade in der Tageszeitung, die andere telefonierte hörbar und das auch mir hinterher erklärend mit ihrem renitenten Sohn zu Haus.
Ich legte also meinen Personalausweis vor und schilderte mein Anliegen. Als man meinen Namen las – wieso beugte sich erst die eine, dann aber auch die andere Dame über meinen Ausweis? –, war ich ziemlich verdutzt über die ungewöhnliche Aussage: „Ah, Herr Steinmann!“ Warum „Ah“ und so sehr freundlich? Wer war ich denn anderes als ein gewöhnlicher Bankkunde? Schon im Verdacht, dass man mich für jemand anderes hielt als Gerhard Steinmann aus Burgwedel, klärte sich dann im Gespräch, dass man mich mit der Winzerfamilie Steinmann im Schloss Sommerhausen, fast gegenüber, in Verbindung gebracht hatte. Das musste ich dann – leider?! – verneinen.
Die Geldbeschaffung dauerte etwas länger, und im weiteren Gespräch – ich war immer noch der einzige Kunde – gestand man mir, dass die Steinmanns im Schloss auch nicht den besten Ruf hätten. Bei Ortsansässigen hätten sie sich das sicher nicht zu sagen getraut, aber gegenüber einem Fremden konnten sie das ja mal ausplaudern.
Dann aber erzählten sie mir, dass es oben auf der Hochfläche noch ein weiteres Weingut Steinmann gäbe, einen Christoph Steinmann. Den haben wir dann später aufgesucht, haben einige Weine probiert und gekauft und im Gespräch aber festgestellt, dass wir auch mit diesem Steinmann – völlig klar – weder verwandt noch verschwägert sind. Auch über fernere Stränge konnten wir keine familiären Verbindungen ermitteln.
Geblieben ist aber, dass wir seitdem auch immer wieder mal Wein vom Weingut Christoph Steinmann in Sommerhausen beziehen. Von den Weinen der Rebsorten, die von den Steinmanns angebaut werden, vorwiegend ist es die Silvaner-Traube, werden jährlich immer etliche prämiiert. Und von eben dem Silvaner, dem Weinklassiker Frankens, gibt es nun die Siegerpreise. Wie auch stets, wenn wir diesen Wein verschenken, betone ich aber mit Hinweis auf das Flaschenetikett mit dem großen ausgeschmückten Namen „Christoph Steinmann“: „Weder verwandt noch verschwägert!“
Gerhard Steinmann
im Mai 2024
PS: Wir sind ja alle schon etwas älter. Der eine oder andere wird sich an den Schauspieler, Regisseur und Maler Veit Relin erinnern, verheiratet auch mal mit Maria Schell. Er leitete damals in Sommerhausen das kleine Torturmtheater und machte es mit international beachteten Aufführungen bekannt.